Die Ursache für die Gewichtung von Entscheidungen in Abhängigkeit vom Design ist aus psychologischer Sicht einleuchtend und nachvollziehbar. Design ist visuell und beeinflusst die Entscheidung von Menschen bei komplexen Prozessen. Es ist weitaus komplizierter, auf der Basis visionärer Ideen und Ansätze zu selektieren. Auch die Analyse und Prognose der Märkte von morgen, die Orientierung an einer zielgruppenorientierten Ansprache oder die Nutzung mathematischer Verknüpfungen und Algorithmen übersteigt oft die Vorstellungskraft der Entscheider. Daher orientiert man sich an dem, was man sieht und versteht. Wie oft treffen wir Bauchentscheidungen, wenn wir ein technologisches Produkt kaufen. Wir orientieren uns daran, wie es aussieht und nicht an den technischen Parametern, die wir nicht verstehen können. Stattdessen kaufen wir eine Illusion und hoffen, das richtige Produkt gewählt zu haben. Oft stellen wir dann fest, dass es unseren Erwartungen nicht gerecht wird, und korrigieren anschließend unsere subjektive Wahrnehmung.
Anders ist es dann, wenn ein Besucher eine Website betritt. Er weiß genau, was er will. Ist der Inhalt nicht interessant genug oder für ihn irrelevant, hält ihn ganz gewiss auch nicht das beste Design. Hier geht es ganz nüchtern um Traffic, Zielgruppenansprache, Kundenbindung und Konversion.
Eines der massivsten Probleme im Marketing ist, dass Produkte und Leistungen oft in Features, Eigenschaften und Parametern beworben werden. Doch generell interessiert sich die Zielgruppe nicht vorrangig für Leistungsparameter oder Werte. Gerade technische Daten oder Zahlenangaben sind für viele Menschen, es sei denn, sie sind technisch versiert und interessiert, nicht immer nachvollziehbar oder zu verstehen. Stattdessen beurteilen sie die Dinge aus der Sicht des Nutzens.
Nehmen wir einmal an, Sie interessieren sich für eine mobile Ladestation, um auch auf längeren Reisen den Akku Ihres Smartphones nachladen zu können. So wird Ihnen die Angabe des Herstellers von 12.000 mAh wohl sehr wenig sagen. Selbst die Angaben zu Abmessungen oder Gewicht sind für unser Vorstellungsvermögen nicht immer transparent genug. Wirbt der Hersteller aber mit Angaben, die auf den Nutzen und nicht auf Features ausgelegt sind, haben wir eine viel bessere Vorstellung von dem Produkt und können uns leichter mit ihm identifizieren.
Im ersten Fall würde uns vielleicht ein Produkt angeboten, das über eine Kapazität des Lithium-Akkus von 37.000 Wattstunden bei einer Spannung von 3.7 Volt verfügt, Maße von 130 x 65 x 6 mm und ein Gewicht von 105 Gramm hat. Die meisten von uns können mit diesen Angaben nicht allzu viel anfangen.
Wird nun aber der Nutzen beworben, so würde uns ganz gewiss ein Produkt angeboten, mit dem es möglich ist, unabhängig von einer Energiequelle unser Smartphone bis zu vier Mal komplett laden zu können, wobei die Ladestation in jede Hosentasche passt, da sie kleiner und leichter ist als unser Smartphone selbst.
Doch dafür ist es notwendig, die "Brille der Nutzer" aufzusetzen und die Produkte und Leistungen, die angeboten und beworben werden, aus der Sicht der Zielgruppe zu betrachten. Diese denkt nun einmal vorrangig in anderen Kategorien. Für sie geht es darum, ein Problem zu lösen und dieses bestmöglich. Dabei steht der Nutzen an erster Stelle.
Allerdings müssen wir aber auch verstehen, dass verschiedene Zielgruppen den Nutzen unterschiedlich wahrnehmen. So dürfte es für den Hersteller von Klimaanlagen bedeutend schwieriger sein, seine Produkte in Alaska zu verkaufen als an Kunden in Süditalien. Die Eigenschaften und technischen Parameter einer Klimaanlage sind identisch, ganz gleich in welchen Märkten sie angeboten wird. Der Nutzen von Klimaanlagen ist in Italien jedoch ein ganz anderer als in Alaska. Es ist also notwendig, die Zielgruppen zu kennen und sie zu analysieren. Kennen wir die Ansprüche, Erwartungen und Probleme unserer Zielgruppe, so können wir dabei helfen, ihre Probleme zu lösen. Mehr als 95 Prozent der Menschen treffen ihre Entscheidungen auf der Basis vom Nutzen. Je mehr Nutzen erbracht wird und je besser den Menschen bei der Lösung ihrer Probleme geholfen wird, umso wertvoller sind die Produkte und Leistungen für sie.
Es geht also nicht vorrangig darum, die Märkte zu beobachten, Trends zu erkennen und eine Parallelwelt zu schaffen. Im Mittelpunkt aller Aktivitäten sollten die Probleme der Zielgruppen stehen. Wem es gelingt, diese bestmöglich zu lösen, der erschafft seine eigenen Märkte und Trends.
Gerade hier liegt einer der wesentlichen strategischen Ansatzpunkte für nachhaltigen Erfolg. Wird die Zielgruppe nicht genau definiert, gibt es keinen erfolgversprechenden Markt. Viele Unternehmen und Organisationen verrennen sich hier in einem endlosen Kreislauf ohne messbare Fortschritte. Sie befinden sich im Hamsterrad. Dabei ist es gleichgültig, wieviel sie investieren und welche Kraft sie aufwenden. Vielleicht dreht sich das Rad etwas schneller, doch man bewegt sich nicht von der Stelle.
Auch ein Topverkäufer wird es schwer haben, Klimaanlagen in Alaska zu verkaufen.